Asphaltvorkommen

Weit ab von Amerika war Hannover in vergangener Zeiten ein Paradies für Rollschuhfahrer. Das "neumodische und laut ratternde Kram" konnten Kinder zuerst in dieser Stadt ausprobieren, denn vor den Toren wurde Asphalt gewonnen und zu modernen Straßenbelägen verarbeitet, die Voraussetzung für das Rollschuhfahren waren.

So schreibt der Brockhaus 1882, dass Asphalt zur Abhaltung der Feuchtigkeit beim Mauerwerk eine große Bedeutung erlangt hat. Und weiter wird dort beschrieben, dass das Asphaltmaterial aus einem mit Erdharz (reines Asphalt) und mehr oder weniger Erdteer durchdrungenen kalkigen Gesteine besteht oder durch dieselben Substanzen fest zusammen gebackenen feinen Kalksande. Über die Vorkommen wird erwähnt, daß dasselbe in Deutschland zu Limmer bei Hannover vorkommt. Wie es bei der Grundmauerabdichtung eingesetzt wird, kann man dann weiter lesen: Der Asphaltstein wird zu Pulver zerkleinert , in eisernen Kesseln über Feuer mit etwas Bergteer zusammengeschmolzen, mit kleinförmigen Kies innig vermengt und schließlich wird die Masse auf die bestimmte Fläche ausgegossen. Um das Aufsteigen der Erdfeuchtigkeit in Mauern zu verhinmdern, bringt man nahe über den Grundmauerung eine oder ein paar Schichten derselben Masse zwischen die Ziegel statt des Mörtels. (Literatur dazu: Jeep, Der Asphalt und seine Anwendung in der Technik, Weimar, 1867)

1730 wurde zuerst auf dem hannoverschen Hausberg dem Lindener Berg eine "Teerkuhle" gefunden. Ein folgte die Ausbeutung eines 4-5 m mächtigen Asphaltlagers aus mergeligem Kalkstein der durch Bitumen dunkelbraun gefärbt war. Das zusätzlich ausquellende Erdöl wurde zu Waagenschmiere verwendet.

1842 oder nach anderen Angaben 1843 wurde 2,5 km nordwestlich auf den Velber Höhen bei Limmer Gesteine mit starkem Petroleumgeruch gefunden, die Asphaltlagerstätte in Limmer.

Die 1842/43 entdeckten Asphaltgruben lagen zwischen Ahlem und Velber (an der Straße zwischen Harenberg und Limmer, wo sich die Straße an der Höhe senkt). Nach 1850 bis 1860 war es die Firma Hennings & Egestorf, die zuerst im Tagebau die Gewinnung des Asphaltes betrieb. 1871 übernahm die englische Fa. The United Limmer-Vorwohle Rock Asphalte-Company diese Gruben. Seit 1905 waren dann die Gruben im Besitz dreier Gesellschaften. Südlich von Ahlem waren damals 4 Gruben in Betrieb, als Tagebau und auch unter Tage. Je einen Schacht betrieben die Hannoversche Baugesellschaft und die Deutsche Asphalt Aktiengesellschaft, sowie zwei The United Limmer and Vorwohle Rock Asphalte Company..Bohrungen einer französischen Gesellschaft vor 1914 ergaben unter einer Deckschicht weitere, jedoch tiefere Schichten von Asphaltkalk. Nach 1914 wurde jedoch der Betrieb nach und nach eingestellt

1943/44 wurden die Asphaltstollen von der Contienental Gummi-Werke AG und gleichzeitig von der Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover als Ausweichquartier für Ihre Kreigsproduktion auserkoren. Für den Ausbau wurden Häftlinge aus dem Ahlemer Außenlager der Conti eingesetzt. (Genaueres über diese Zeit finden Sie in der Dokumentation: Konzentrationslager in Hannover, KZ-Arbeit und Rüstungsindustrie in der Spätphase des zweiten Weltkrieges, Teil I, 1985, Verlag August Lax, Hildesheim.)

In der Nähe einer der Asphaltgruben in Ahlem, in der unterirdische Anlagen installiert waren, war ein mit geladenem Elektrozaun gesichertes Barackenlager für Zwangsarbeiter. Die mußten in den ehemaligen Asphaltwerken westlich der Richard-Lattorf-Straße und beiderseits der Harenberger Straße (kurz hinter der Stadtbahnendstation) an der Erstellung und später der Einrichtung des geplanten Betriebes der unterirdischen ausgelagerten Rüstungsbetriebe zwangsarbeiten . Dieses Lager in Ahlem, (es gab zeitweise noch andere) in dem u.a. polnische Juden aus dem Ghetto Lodz zur Arbeit gezwungen wurden, gehörte zum Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg, und war den Geschäftsführungen hannoverscher Industriebetriebe angegliedert.

Damaliger Plan zur Untertageverlagerung von Industriebetrieben nach Ahlem in Asphaltgruben

Deckname Name Ort/Lage Art der Anlage Fläche in m2 Firma Nutzung
Döbel I ** Ahlem 1 Hannover-Ahlem Asphaltgrube 9000 Continental Gummi-Werke (Conti) Gummireifen und Öllager
Döbel II ** Ahlem 2 Hannover-Ahlem Asphaltgrube 8000 Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) Seitenvorgelege

** = Anlage wurde nur teilweise realisiert (Untertageverlagerungen der Rüstungsindustrie im südlichen Niedersachsen, eine Internetpublikation von Thomas Krassmann, Januar 2001)

Ein Betriebsteil des Rüstungsherstellers MNH war das unterirdische Werk in Ahlem. Es entstand in einem Asphaltstollensystem nördlich und südlich der Harenberger Landstraße mit der Tarnbezeichnung "Döbel". Im Stollen I (Ahlem I) sollte die Firma Continental Gummi-Werke (Conti) Flugzeugtreibstoffbehälter, technische Flugzeugschläuche u.a. herstellen, die MNH im Stollen II (Ahlem II) (Seiten-)Vorgelege für das Panzerfahrzeug Panther. Für den Aufbau wurden aus verschiedenen Lagern Häftlinge dorthin verlegt. Das Gelände und die dort schon vorhandenen Baracken waren so schlecht, daß das "KZ Ahlem" zum großen Teil erst von 100 Häftlingen gebaut werden musste, bevor Ende November 1944 die Arbeit in den Stollen begann. Die dort zur Schwerstarbeit eingesetzten ca. 200 Häftlinge waren zum Teil so unterernährt und entkräftet, daß sie selbst die vergleichsweise leichtere Fabrikarbeit bei der Conti nicht mehr zur Zufriedenheit der Firma erfüllen konnten. Ob die Produktion jemals aufgenommen wurde, ist zweifelhaft. Sicher erscheint jedoch, daß von KZ-Häftlingen Maschinen im MNH-Stollen montiert worden sind. (nach: Frank Köhler, Die Fertigung von Kampfpanzern und Panzerteilen bei der Firmengruppe MNH in Hannover, Koblenz 1994)

Im April 1945, als das Lager von der anrückenden US-Armee befreit wurde, fanden sie nur noch wenige halb verhungerte und kranke Insassen, die neben ihren zu Tode geschundenen Kameraden dahinvegetieren. Ein Teil der Gefangenen wurde wenige Tage vor der Befreiung auf einen Fußmarsch in das Lager Bergen-Belsen in den Tod geschickt. Die US-Army hat den Zustand des Lagers unmittelbar nach der Befreiung auf Film und auf Fotographien dokumentiert, die im amerikanischen Nationalarchiv zugänglich verwahrt werden.

 


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