Rede der Zimmerin Pia Wahl vor dem Bundestag

Mein Name ist Pia Wahl. Ich bin Zimmerin von Beruf und spreche hier als Vertreterin des bundesweiten Treffens der Frauen, die im Bauhauptgewerbe tätig sind, sowie für den bundesweiten Zusammenschluß von Frauen in planenden und ausführenden Bauberufen 'Baufachfrau'.

Wir sind zu acht Frauen angereist, sodaß in der anschließenden Diskussion die Möglichkeit besteht, die Erfahrungen über die Arbeit im Bauhauptgewerbe von verschiedenen Frauen zu hören.

Vorab möchte ich Ihnen jedoch eine kurze Stellungsnahme zum Beschäftigungsverbot von unserer Seite geben:

Das Gesetz von 1938, welches Frauen im Bauhauptgewerbe verbietet, wurde in der Praxis in den alten Bundesländern sowohl von Frauen als auch von den zuständigen Behörden häufig ignoriert, - und das nicht erst in den letzten Jahren. Die älteste Frau aus dem Baubauptgewerbe zum Beispiel, die ich persön1ich kenne, hat bereits 1948 in Hechingen in Baden-Württemberg den Beruf der Zimmerin erlernt.

Das Arbeitsverbot ist im Zusammenhang mit dem Frauenbild zu sehen, welches im Nazideutschland propagiert wurde. Die Frau als Gebärmaschine und Heimatadresse für Frontsoldaten war mit der selbständig arbeitenden Frau auf dem Bau nicht vereinbar. Während Frauen auf der einen Seite als Zwangsarbeiterinnen zu härtester Arbeit herangezogen wurden, wurde ihnen.auf der anderen Seite die Arbeit auf dem Bau verwehrt mit der Begründung, dies geschehe zu ihrem gesundheitlichen Schutz und insbesondere zum Schutze ihrer Gebährfähigkeit.

In der Diskussion um die Novellierung derArbeitszeitordung, hier speziell des §16 Absatz 2, geht es heute darum, ob Frauen fähig sind, uneingeschränkt im Bauhauptgewerbe zu arbeiten. Ich arbeite seit Jahren als Zimmerin auf dem Bau und möchte die Meinungen und Erfahrungen von mir und meinen Kolleginnen darstellen:

Die technische Weiterentwicklung hat wesentliche Erleichterungen. für alle im Bauhauptgewerbe Tätigen mit sich gebracht. Die moderne Fördertechnik, wie z. B. kleine wendige Bagger, Betonpumpen, mobile Kräne usw. ermöglichen einen wesentlich geringeren Körpereinsatz als dies noch vor Jahren notwendig war. Das klassische Bild des Bauarbeiters. hat sich entsprechend vom Mann mit der Schaufel zum Maschinenführer gewandelt.

Für die Situationen, bei denen immer noch Körpereinsatz und Kraft gefragt sind, können Schäden durch Beachtung der Hinweise aus der Arbeitsmedizin vermieden werden. Dies gilt selbstverständlich für Frauen und Männer gleichermaßen. Um Langzeitschäden vorzubeugen, muß der verantwortungsvolle Umgang mit dem eigenen Körper auf der Baustelle Priorität haben.

Die Arbeit auf dem Bau ist keine monotone Arbeit. Sie ist sehr vielfältig. Es gibt Spitzenbelastungen und Phasen des Ausgleichs. Abstrakte Grenzwerte für die Spitzenbelastungen würden wir als willkürlich empfinden, da immer der spezielle Arbeitsplatz und die Arbeitssituation mit beachtet werden müssen.

Auch kommen die Kraftunterschiede zwischen.Männern und Frauen auf dem Bau im konkreten Alltag selten zum tragen; denn:

erstens ist Frau nicht gleich Frau und Mann nicht gleich Mann (- ich z.B. habe während meiner Lehr- und Gesellenzeit einen enormen Kraftzuwachs feststellen können. Frauen wird ein durch Arbeit bedingter Muskelzuwachs jedoch im Gegensatz zu.Männern nicht zugestanden, während auf der anderen Seite jedem noch so schmächtigen Lehrling prophezeit wird, daß aus ihm auch noch ein strammer Kerl wird.-)

zweitens kommt die Situation, daß ein Balken für mich allein zu schwer ist, ein Kollege den Balken aber noch ohne Probleme allein tragen würde, kaum vor. Meist ist der Balken einfach eindeutig zu schwer, und es werden ohnehin zwei Personen benötigt, um ihn zu tragen.

Natürlich gibt es eine Reihe von Männern, die sich und anderen unbedingt ihre Kraft dadurch beweisen müssen, daß sie immer wieder an ihre äußersten Belastbarkeitsgrenzen gehen. Mit diesen Männern .können und wollen wir Frauen auf dem Bau uns nicht vergleichen lassen. Diese Kollegen.sind oft bereits mit 35 Jahren wegen Bandscheibenschäden und Gelenkschwierigkeiten tatsächlich am Ende ihrer körperlichen Belastbarkeit angelangt.

Speziell im. Zimmererhandwerk lebt der Mythos vom starken Mann und Helden, dem nichts zu schwer ist. Es gibt aber auch genügend Kollegen, die bewußt mit ihrem Körper umgehen.

In der Diskussion um das Gesetz wird immer wieder betont, daß es in erster Linie um den Gesundheitsschutz geht. Der beste Gesundheitsschutz für Frauen und Männer wird jedoch nicht durch Beschäftigungsverbote oder erhöhte Zugangsbedingungen erreicht, sondern allein durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle. Entsprechend sollten alle Anstrengungen unternommen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dies zu erreichen.

Hier ist auch der Gesetzgeber gefordert. Z.B. könnten durch gesetzliche Regelungen die Gebinde auf dem Bau verkleinert werden. In den Berufsschulen könnte eine bessere Vorbereitung auf die schwere körperliche Arbeit geboten werden. Statt im Turnunterricht Fußball zu spielen,. könnten richtiges Heben und Tragen, sowie Entspannungsübungen für die Wirbelsäule erlernt werden.

Fast überall, wo Frauen arbeiten, gibt es das Problem der Leichtlohngruppen und gerade jetzt, wo durch die Gesetzesneuregelung das Bauhauptgewerbe für Frauen geöffnet werden.soll, werden diesbezüglich Befürchtungen laut. Die Leichtlohnproblematik ist jedoch ein allgemeines Problem, unabhängig von Bauarbeit. Die Angst vor Leichtlohngruppen am Bau berechtigt nicht ausgerechnet hier zum Beschäftigungsverbot. Im Gegenteil. Hier bietet sich einmalig die Chance, die Entwicklung durch gesetzliche Regelungen beispielhaft so zu steuern, daß in diesem Bereich Leichtlohngruppen für Frauen verhindert werden. Wir Frauen vom Bauhauptgewerbe wollen auf. gar keinen Fall durch Einschränkungen weniger verdienen oder ganz vom Bau gedrängt werden.

Trotz des bestehenden Beschäftigungsverbotes, das dem Gesundheitsschutz von Frauen dienen sollte, wurden Frauen in der Vergangenheit durchaus zu ungelernten Bauarbeiten herangezogen. Sie leisteten einen Großteil der Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten nach dem Krieg. Teilweise wurden sie zwangsverpflichtet und mußten. diese Arbeiten unter ungünstigen Bedingungen verrichten. Nachdem sich die Arbeitsbedingungen verbessert hatten, wurden die Frauen aus diesem Bereich wieder herausgedrängt.

Es muß sicher gestellt werden, daß sich solche willkürlichen Maßnahmen wie Zwangverpflichtung einerseits und die Verdrängung andererseits, wie es sie in der Geschichte gegeben hat, nicht wiederholen können. Aus diesem Grund muß sowohl das Recht für Frauen, in Bauhauptberufen arbeiten zu dürfen, verankert sein als auch eine Zwangsverpflichtung, z. B. die Zuweisung durch das. Arbeitsamt gegen den Willen einer Arbeitnehmerin, gesetzlich ausgeschlossen werden.

Wir Frauen aus dem Bauhauptgewerbe wollen uneingeschränkt und selbstbestimmt weiterarbeiten und die allgemeinen Bedingungen für uns und unsere zukünftigen Kolleginnen und Kollegen verbessern.


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